Zweite Keile:
Bon Hannover bis an die Wasserscheide zwischen
Weser und Elbe. Siehe Karte 1.
Erster Tag:
Die Leine bis an die Mündung in die Aller.
Von jetzt an durchwandern wir weitere Strecken über Berge und
Thäler, über Flüsse, Wiesen, Moore und Heideflächen bis an die
Grenzen unserer Provinz und noch darüber hinaus, sobald unser Weg
vorübergehend benachbarte Gebiete berührt.
Bei unseren Reisen nehmen wir die Flüsse als Wegweiser und
folgen von Hannover aus zuerst dem Laufe der Leine bis an die
Mündung in die Aller.
„Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt,
Dem will er seine Wunder weisen,
In Berg und Strom, in Wald und Feld."
Unterwegs halten wir wie bei den vorigen Ausflügen Rundschau
im Lande, um zu beobachten, wie die Menschen jedem Boden seine
eigentümlichen Erzeugnisse abzugewinnen wissen: Hier legen sie Wiesen
an und dort Wälder, Ackerland und Gärten; hier stechen sie Torf
und an anderen Orten bohren sie nach Petroleum und Steinsalz, oder
sie fördern aus deu dunklen Bergwerken Erze und Steinkohlen an
das Tageslicht. Sie scheuen die harte Arbeit uicht; denn Arbeit
macht das Leben süß!
Unser erstes Interesse an der Leine wecken die Wiesen neben dem
Georgengarten und vor der Herrenhäuser Kunst, weil sie uns im
Sommer eiu anschauliches Bild von dem Leben und Treiben auf den
Marschwiesen geben; denn Pferde und Kühe bleiben hier vom Mai an
5 Monate lang Tag und Nacht im Freien.
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13
Auf der Aller herrscht oft, wenn die Holzhändler aus Celle und
Winsen a. d. A. ihre Holzflöße nach Bremen senden, ein reges Leben;
denn Tannen und Fuhren bilden durch die ganze Heidegegend einen
bedeutenden Handelsartikel.
Der Floßmeister vereinigt etwa 29 Balken zu einem Floße, indem
er am untern und obern Ende eines jeden Bauines ein Loch bohrt,
um in dieses mit Holzkeilen einen aus Weiden geflochtenen Strang
hineinzutreiben, so daß dieses Weidenband schließlich über das ganze
Floß hinläuft und die einzelnen Balken zusammenhält.
Bei der Mündnng der Wietze, welche ihre ersten Gewässer aus
dem Grenzgraben der Eilenriede bei der List und durch kleine Zuflüsse
aus dem Warmbüchener Moor erhält, verlassen wir die Aller, um die
Teerquellen bei den Dörfern Wietze und Steinförde aufzusuchen.
Es sind hier in letzten Jahren 7 Bohrtürme errichtet, durch welche,
— freilich in bedeutender Tiefe — Petroleumquellen erschlossen sind
und in noch tieferen Schichten auch Steinsalzlager. Daneben haben
einige Hofbesitzer auch auf ihren Grundstücken Teerquellen, und das
von ihnen angewandte einfache Verfahren bei der Gewinnung des
Teeres ist folgendes:
Man thnt die fette Erde aus den Quellen in große Kessel, gießt
heißes Wasser darüber und füllt dann die oben schwimmenden Fetlteile
ab. Aber sowohl die durch die Bohrtürme, wie auch durch diese Quellen
gewonnen Petroleummassen werden ungereinigt als Wagenschmiere in
den Handel gebracht.
Auf dem Rückwege gehen wir an der Wietze entlang bis an die
Aller. Der Wietzemündung gegenüber am rechten Ufer der Aller zieht
sich stundenweit bis in die Nähe von Hudemühlen ein umfangreiches
Moor hin, größer als das Neustädter und Warmbüchener Moor.
Kein Baum unterbricht die unabsehbare Einöde, welche mit schilfigem
Moorgras und Binsen bedeckt ist. Hier sind die Brutstätten der wilden
Enten, Bekassinen und Kiebitze; ja selbst Kraniche, die sonst meistens
weiter nach Norden ziehen, nisten in diesem großen Moore.
Wenn du in später Abendstunde oder zur Nachtzeit an solch'
ausgedehnten Moorflächen vorüber wanderst, auf welchen die. tiefe
Stille nur durch den emtönigen Ruf der Wasser- und Sumpfvögel
unterbrochen wird, dann zieht ein banges Gefühl der Einsamkeit in
dein Herz hinein, und in deiner Einbildung erscheint dir das Glüh-
würmchen im Moore wie ein Irrlicht. Aber wehe dir, wenn du in
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18
Schmucksachen haben die damaligen Bewohner wahrscheinlich von den
Phöniziern, welche schon in alter Zeit mit ihren Schiffen von der
Westküste Asiens durch das Mittelländische Meer und durch den At-
lantischen Oeean nach der Ostsee gefahren sein sollen, gegen Pelzwerk
und Bernstein eingetauscht. Bereits zu Salomos Zeit, 1000 Jahre
vor Christi Geburt, stand Kunst und Handwerk bei diesem kühnen
Seefahrervolk aus hoher Stufe, wie mir das aus der Geschichte von
dem Tempelban in Jerusalem wissen. Die Zeit, in welcher man den
Verstorbenen bronzene Schwerter mit in das Grab gab, nennt man
die Bronzezeit. Im hannoverschen Museum ist eine ganze Sammlung
von bronzenen Schwertern und Spangen ausgestellt.
Die Einwohner unseres Landes waren zur Steiu- und Bronzezeit
wahrscheinlich noch keine Deutsche. Als die Römer im Jahre 113 v. Chr.
mit uuseru alteu Vorfahren kämpften, welche aus den fernen Gebirgs-
gegenden Kleinasiens eingewandert waren, trafen sie bei ihnen bereits
eiserne Waffen an.
Die „Sieben Steinhäuser" werden der Denkwürdigkeit wegen von
Hannover aus vielfach besucht. Um aber rascher zum Ziele kommen
zu können, wählt man nicht unsern heutigen Weg, sondern denjenigen
mit der Eisenbahn Hannover-Visselhövede bis nach der Station Wals-
rode, geht dann über Fallingbostel und erreicht von Walsrode ans
in etwa drei Stunden den einstelligen Bauernhof Homannshof, in
nächster Nähe der Steinhäuser an einem klaren Heidbache gelegen.
Vierter Tag:
Von den Steinhäusern bis Fallingbostel. Eingehende
Besichtigung eines Bauernhauses.
An dem Wege nach Fallingbostel liegen, wie überall in der
Lüneburger Heide, einzelne Gehöfte, beschattet von Eichen und Buchen
und begrenzt von geflochtenen Zäunen. Stets haben entweder Quellen,
fruchtbare Äcker und Wiesen oder liebliche Waldesstellen die Menschen
zum Anbaue herbeigelockt.
Die meistens aus Fachwerk gebauten und mit Stroh und Heide
gedeckten, ehrwürdigen Wohnhäuser haben an der Giebelseite hölzerne
Pferdeköpfe, wie wir sie schon auf unserm ersten Ausfluge in Vahren-
wald sahen, und in die Querbalken über den Thüren sind fromme
Sprüche geschnitzt, z. B. Bete und arbeite! Unsern Ein- und Ausgang
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28
Nahe bei Soltau liegt der einstellige Hof Stübeckshorn, auf
welchem Hermann Billung, welcher später Herzog von Sachsen wurde,
geboren sein soll. Von Stübeckshorn hat sich folgende Sage erhalten:
Kaiser Otto der Große, welcher deutscher Kaiser war von 936—973,
reitet einst aus seiner Reise nach Soltau über Stübeckshorn und will
in der Nähe des Hofes seinen Weg über das Ackerfeld nehmen. Hier
hütet aber Hermann, der junge Sohn des Meyers, die Schafe und
stellt sich mit seinem Hirtenstabe, an welchem ein kleines Beil befestigt
ist, dem Kaiser mit den Worten entgegen: „Hier darf nicht geritten
werden." Diese Keckheit gefällt dem Kaiser sehr, er nimmt den Knaben
mit an den Hof und ernennt ihn zum Edelknaben. Nach feinem kleinen
Beile wird er fortan Hermann Bieling genannt. So lautet die Sage;
aber Hermanns Geburtsstätte ist wahrscheinlich das nach ihm benannte
Hermannsburg gewesen, wo sein Haupthof gelegen hat.
Zwei Stunden östlich von Soltau, nahe bei Munster, hat die
Regierung etwa 23 000 Morgen Heide und Fuhrenwalduug angekauft
zu einem Schießübuugs- und Exerzierplatze für unsere Soldaten
(34/5 Morgen = 1 ha). Gleich den Kruppschen Schießplätzen bei
Meppen liegen auch diese großen Flächen, wegen der weitgehenden
neuen Geschosse, in einsamer, menschenleerer Gegend.
Das Lager besteht aus 25 Wellblechbaracken, in welchen gleich-
zeitig über 3000 Soldaten, nebst Unteroffizieren und Offizieren unter-
gebracht werden. Für die Pferde sind 15 Stallzelte errichtet, und
wenn keine Kavallerie im Lager ist, so werden auch diese Zelte mit
Mannschaften belegt. Die Stabsoffiziere wohnen in gemauerten Ba-
racken, und alle Offiziere essen gemeinschaftlich im Kasino, während
für die Soldaten sieben geräumige Küchen gebaut sind. Durch das
Lager, welches mit einer kleinen Stadt Ähnlichkeit hat, führen nach
allen Richtungen Straßen. Die Übungen daueru gewöhnlich von
Mitte Mai bis Anfang September, so daß sämtliche Regimenter des
10. Armeekorps den Sommer hindurch nacheinander ihre Übungen in
Munster abhalten können. Im Winter bleibt nur ein Arbeits-Kom-
mando von 120 Mann im Lager, welches mit Wegeanlagen und
allerlei Ausbesserungen beschäftigt wird. Nördlich von diesem Platze
zieht sich ein langgestreckter Höhenzug hiu, welcher die Wasserscheide
bildet zwischen Weser und Elbe, und wir folgen demselben in füdöst-
licher Richtung bis nach dem Lüßwald neben der Station Unterlüß
an der Hannover-Harburger Eisenbahn.
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Extrahierte Personennamen: Hermann_Billung Otto Hermann Hermann_Bieling
32
wie dort von Handwerk und Ackerbau sich nähren. Im 13. Jahr-
hunderte hieß der Ort Löwenwalde. Löwen ist der niederdeutsche
Name für Lauben und deutet hin auf die waldreiche Gegend. In
älterer Zeit ist die Ilmenau bis Uelzen schiffbar gewesen, und zur
Erinnerung daran hängt noch jetzt in der dortigen Stadtkirche ein
kleines Schiff, welches von Engländern, die bis hierher ihre Handels-
beziehuugeu hatten, geschenkt sein soll. Ein größerer Platz in der
Stadt, nahe der Ilmenau, wo der Hafen gewesen ist, hat den Namen
„Schneller Markt" beibehalten. Seit alter Zeit lief im Jlmenauthale
entlang der große Handelsweg von Hamburg über Lüneburg nach
Uelzen. Südlich der Stadt spaltete sich derselbe, und der eine Weg
führte über Celle nach Hannover, während der andere sich über Gif-
Horn und Braunschweig nach Süddeutschland hinzog.
In Uelzen ist im Jahre 1497 Ernst der Bekenner geboren, einer
der Fürsten Deutschlands, welche zuerst Luthers Lehre einführten.
Von Uelzen wenden wir uns auf kurze Zeit nach Westen, dem
Flecken Ebstorf zu. In dem dortigen Kloster befinden sich sehens-
werte, alte Teppiche, welche umrändert sind mit kostbaren Perlen aus
den Perlenmuscheln der Ilmenau und anderer Heidbäche. Eine Merk-
Würdigkeit seltener Art ist die aus dem Kloster stammende Landkarte
aus dem Mittelalter, 3*/2 m hoch und 3 m breit, mit den drei damals
bekannten Erdteilen. Die Karte, auf welcher mit Wasserfarben Bilder
von wilden Völkern und fabelhaften Tieren gemalt sind, ist jedenfalls
im Kloster angefertigt, denn Ebstorf steht mit darauf. Jerusalem
bildet den Mittelpunkt, Asien nimmt den oberen Teil, Europa den
linken und Afrika den rechten Teil ein. Leihweise ist die Karte dem
historischen Vereine für Niedersachsen in Hannover überlassen, welcher
Vervielfältigungen davon hat herstellen lassen, die in der Hahnschen
Buchhandlung zur Ansicht vorrätig sind.
Ebstorf mit 1500 Einwohnern hat eine im Aufblühen begriffene
Ackerbauschule. Zwischen dem Orte und Soltau dehnt sich die Raub-
kammer aus, der zweite große Wald im Lüneburgschen, welcher seinen
Namen folgender Sage verdankt: Zur Zeit der Raubritter hatte der
Wegelagerer von Zahrenhusen eine feste Burg mitten in diesem Walde,
und lohnend war sein Gewerbe; denn die große Handelsstraße von
Hamburg über Soltau nach Hannover führte durch die Raubkammer.
Diese Straße zog nun auch einst ein Krämer aus Uelzen, welcher seine
Büchse mit einer aus dem Blei eines alten Kirchenfensters gegossenen
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Extrahierte Personennamen: Ernst
Extrahierte Ortsnamen: Ilmenau Ilmenau Hamburg Uelzen Hannover Uelzen Deutschlands Ilmenau Jerusalem Asien Europa Afrika Niedersachsen Hannover Lüneburgschen Hamburg Hannover Uelzen
33
Kugel geladen hatte, und mit dieser Kugel traf er den stechen Räuber
mitten ins Herz, als er ihm seine Ware abnehmen wollte. Wo Zahren-
Husen gefallen sein soll, steht noch jetzt ein steinernes Kreuz.
Auf unserem Rückwege nach Uelzen gehen wir durch die Dörfer
Melzingen und Westerweihe, aus deren Mergelgrnben die Mergelerde
als Düngmittel in weiter Umgegend auf die Äcker gebracht wird.
Zweiter Tag:
Bon Uelzen bis an die Göhrde.
Nach diesem kleinen Seitenwege statten wir von Uelzen aus den
hannoverschen Wendländern, welche drei Stunden östlich der Stadt
zwischen der Ilmenau und Elbe wohnen, einen Besuch ab.
Sie sind nicht deutschen Ursprungs und hatten früher ihre eigene
Sprache. Jetzt sprechen sie aber das lünebnrgsche Plattdeutsch, haben
jedoch die Eigentümlichkeit, das „H" am Anfang der Wörter stets
auszulassen und es dagegen vor manchen Selbstlauten, vor die es
nicht gehört, zu sprechen, z. B. Err Haffessor = Herr Assessor. Hunse
Und = Unser Hund. De Aas = Der Hase.
Ihre Dörfer siud in Hufeisenform gebaut, und ihr Lieblingsbaum
ist die Weide, wie bei den Deutschen die Linde. Im Wendlande
gedeiht der Flachs vortrefflich und in: nördlichen Teile auch der Hopfen.
Höhenzüge im Wendlande sind der Dravän und Lemgow.
Die Weudlcinder waren in früherer Zeit bei ihren Nachbarn ver-
achtet, und iu Uelzen und Lüneburg hatten bis vor 200 Jahren die
Ehen mit den Wenden keine Gültigkeit.
Die Jeetzel, ein Nebenfluß der Elbe, durchfließt das Land, und
die daranliegenden Städte Wustrow, Lüchow, Dannenberg,
sowie Hitzack er sind wendischen Ursprungs. Hitzacker ist seit einigen
Jahren ein Badeort mit stahlhaltigen Quellen. Bei Überschwemmungen,
wie im Jahre 1888, leidet besonders Dannenberg mit seiner tief
gelegenen Umgebung große Not.
Als die Wenden, welche vor 1000 Jahren bis in diese Gegenden
und noch weiter südwestlich vorgedrungen waren, von Karl dem Großen
und seinen Nachfolgern zurückgedrängt wurden, erbaute man in
Dannenberg und Hitzacker mächtige Burgen als Grenzfestungen gegen
diese Feinde. Gleichzeitig errichtete man in manchen Dörfern, z. B.
Wiermann, Heimatskunde.
3
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Extrahierte Personennamen: Karl_dem_Großen Karl B.
Wiermann
35
In der Michaeliskirche ist das Grab Hermann Billuugs, und auf
dem Grabstein findest du die Worte:
„Hermann Billich bin ich genannt,
Dem Römischen Reiche wohl bekannt,
Ein Edelmann ans Stübeckshorn
War von schlechtem Stamm gebor'n."
Das benachbarte Kloster Lüne stammt schon aus sehr alter Zeit.
Die Glasmalerei und überwölbten Kreuzgänge in demselben sind sehenswert.
Eine Stunde stromabwärts von Lüneburg liefert uns der Flecken
Bardowiek den Beweis von der Vergänglichkeit alles Irdischen und
sührt uns damit zurück in längst vergangene Tage.
Als Hamburg noch ein Fischerdorf war, und Lüneburg'eine nur
unbedeutende Einwohnerzahl hatte, war Bardowiek die bedeutendste
Handelsstadt in Norddeutfchlaud, und schon Karl der Große errichtete
hier einen Grenzzoll gegen die Wenden. Heinrich der Löwe, dieser
mächtige Sachsenherzog, hatte Bardowiek zur Hauptstadt seines Reiches
im Norden bestimmt, wie München für den Süden. Sein kaiserlicher
Vetter, Friedrich Barbarossa, erklärte ihn aber seiner Länder verlustig
und verbannte ihn aus drei Jahre in das Ausland, weil er seinem
Rufe, an einem Kriegszuge gegen Italien teilzunehmen, nicht Folge
geleistet hatte. Nachdem Heinrich im Jahre 1189 aus der Verbannung
von England zurückgekehrt war und in Bardowieks Mauern rasten
wollte, verschloß die Stadt ihm höhnend ihre Thore. Darüber sehr
entrüstet, bestürmte der Herzog die übermütige Stadt und zerstörte sie,
die damals ueun Kirchen hatte, bis aus den Dom, an welchem er zur
Warnung einen noch jetzt vorhandenen hölzernen Löwen anbringen
ließ und darunter die Inschrift Vestigia leonis. d. i. die Spur des
Löwen. Aber nur durch einen Zusall war Bardowiek in die Hände
seines Feindes gekommen. Ein Stier, welcher auf den Wiesen der
Ilmenau weidete, watete nämlich, als Heinrichs Krieger ihn fangen
wollten, durch den Fluß. Verwundert sahen seine Verfolger, daß das
Wasser an dieser Stelle sehr flach sei, solgten ihm zu Fuß und zu
Roß und überrumpelten die Wächter, welche die Stadt von dieser
Seite für vollständig uneinnehmbar hielten. Da, wo einst die stolzen
Gebäude reicher Kaufherren standen, bauen jetzt fleißige Gartenleute
Gemüse und Sämereien.
Einige Stunden unterhalb Bardowieks tritt die Ilmenau in die
Elbmarschen ein und fließt dann in die Elbe.
3*
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom]]
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Extrahierte Personennamen: Hermann_Billuugs Bardowiek Karl_der_Große Karl Heinrich Friedrich_Barbarossa Friedrich Barbarossa Heinrich Heinrich Heinrichs_Krieger Heinrichs
37
Die zweite Marschlandschaft ist das „Alte Land". Es zieht
sich ebenfalls am linken Elbufer hin, von Harburg bis an die
Schwinge, und wird so genannt, weil es schon in alter Zeit ein-
gedeicht worden ist. Seine Bewohner stammen aus Holland, wie wir
das sofort an ihren Häusern erkennen; denn anstatt der Pserdeköpse
treffen wir hier an der Giebelspitze der Häuser, wie iu Holland,
Schwanenköpfe, und die aus Fachwerk gebauten Wände zeigen, wie
dort, die verschiedensten Muster in der Backsteinmauer. Die schmucken
Häuser sind, wie in den Niederlanden, von niedlichen Blumengärten
umgeben und Gärten und Hofplatz von Grüben eingefaßt. Bislang
konnten vier Wörter mit dem Anfangsbuchstaben „W" die hanptsäch-
lichsten Bodenerzeugnisse bezeichnen: Wald, Wolle, Weizen, Wiesen.
Das hört aber hier aus; denn in allen Marschländern fehlen Wälder
und Wolle; dafür gedeiht iu deu Marschen der Weizen vorzüglich,
und auf den fetten Wiesen weiden vortreffliche Füllen- und Rinder-
Herden. Die „Alten Länderinnen" bewahren noch bis heute ihre
eigentümliche Tracht: Die Tuchjacke ist vorne durch sechs kugelrunde,
große Knöpfe ^zusammengehalten, der Hals ist mit einer doppelten
Bernsteinkette geschmückt und das Kopftuch in kunstvoller Weise um
das Haupt geschlungen.
Im „Alten Lande" giebt es viele große Obstgärten, in welchen
vorzugsweise Kirschbäume angepflanzt sind. Die Kirschen werden auf
eigenen Schiffen nach Hamburg, England und nach den Häfen der
Ostsee versandt. Groß ist der Jubel der Hamburger Jugend, wenn
die Zeitungen um die Psiugstzeit verkünden: „Heute Extrafahrt nach
dem Blütenlande", d. i. nach dem „Alten Lande"! Und noch größer
ist ihre Freude um Johannis, wenn in den Anzeigen geschrieben steht:
„Heute Extrafahrt nach dem Kirschenlande!" Die Stare aus dem
Lünebnrgschen Ziehen zur Verwunderung der Dorfbewohner um dieselbe
Zeit während 4—5 Wochen fort, um an der Kirschenernte des „Alten
Landes", wenn auch als nicht gern gesehene Gäste, teilzunehmen.
Zweiter Tag:
Von der Schwinge bis an das Land Hadeln.
Die dritte Marsch ist das Land Kehdingen. Es reicht von
der Schwinge fast bis an die Oste und hat den fettesten Boden von
allen Marschlandschaften. Viehzucht und Ackerbau blühen in hohem
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Extrahierte Personennamen: Johannis
Extrahierte Ortsnamen: Harburg Holland Holland Niederlanden Hamburg England
41
Das Land Wursten hat seinen Namen davon erhalten, daß die
Bewohner ihre Häuser aus künstliche Hügel, Wurten genannt, bauten.
Eingedeicht ist das Laud erst später durch die Friesen, welche sich den
alten Bewohnern zugesellten. Durch diesen Zuzug der Friesen erklären
sich die vielen friesischen Vornamen, welche hier noch jetzt im Gebrauche
sind: Eddo, Okko, Hayo, Alida, Antja, Gerritdina und andere. Die
Kirchtürme, welche an den Küsten häufig mit hellfarbigen Streifen
bemalt sind, dienen als Merkzeichen für die Schiffer.
Ein alter Spruch im Lande Wursten lautet:
„Gott bewahre Damm und Dieken,
Siel und Bulwerk und derglieken,
Dato uuse Land und Good
Und en ehrlich Wurster Blood."
Die Gehöfte liegen teils einzeln, teils in geschlossenen Dörfern.
Wegen des starken Seewindes neigen die stets nur niedrigen Bäume
sich nach der Südostseite, und nur nach dieser Seite hin wachsen ihre
Äste. Das Klima ist Seeklima, die Lust nämlich feucht aber milde.
Wie ist denn das Wesen der Küstenbewohner? Wo die Menschen,
wie am Meere, häufig mit Gefahren zu kämpfen haben, da werden
sie mutig und stark. Wenn sie auch uicht gleich ihr Ziel erreichen,
wenn auch selbst ihr Fahrzeug zerschellt, so kämpfen sie doch immer
wieder mit erneuter Kraft und mit neuer Überlegung gegen die Wellen
des wilden Meeres an, und das macht sie erfinderisch in der Abwehr
der Gefahr. Und was sie mit großer Mühe erworben haben, das ist
ihnen doppelt lieb: stolz sind sie daher auf ihren Besitz.
Die Osterstader Marsch hat ihren Namen von ihrer Lage am
östlichen Gestade der Weser. Im nördlichen Teile sind die Wiesen
vorherrschend, aber im Süden baut man vorzugsweise Rüben und
Kohlarten, weil beides im Herbste am Bremer Wochenmarkte raschen
Absatz findet.
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
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48
Die bedeutendste Stadt Ostfrieslands ist Emden mit 14009
Einwohnern. Die Ems bespülte früher die Mauern von Emden, jetzt
aber liegt die Stadt eine Stunde von derselben entfernt. Die Regie-
rung hat aber mit vielen Kosten einen schiffbaren Kanal von Emden
nach der Ems gebaut. Emden ist eine kanal- und brückenreiche Stadt,
nach holländischer Art gebaut. Die Giebel der Häuser sind, wie in
vielen Hafenstädten, der Straße zugekehrt. Die Heringsfischerei wird
von Emden aus in großem Umfange betrieben. Von Emden nach
Borkum fährt das Dampffchiff in drei Stunden und von Leer nach
Borkum in fünf Stunden.
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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